Wenn mathematische Strategien nicht tragfähig sind

Wenn mathematische Strategien nicht tragfähig sind

Rechenaufgabe: Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Wenn mathematische Strategien nicht tragfähig sind.

Immer mehr Kinder finden den Weg zu mir. Ich bin sehr dankbar für ihre Ideen, Konzepte und Strategien, die sie zu mir bringen und an denen sie mich teilhaben lassen.

Es ist spannend zu entdecken, was sie sich beispielsweise vorstellen, wenn sie sich die Zahl 34 vorstellen. Sehen sie in ihrem Kopf 34 frische und saftige Blumen wachsen, sehen sie 34 rote Punkte, sehen sie 34 Wölkchen vorbei schweben, sehen sie 34 Eier. Und weiter: Wie sind sie angeordnet diese 34 „Irgendwas“? – Stehen sie eng zusammen oder auseinander? Sind sie in irgendeiner Art geordnet? – In 2-er, 5-er, 10-er Gruppen? Verpackt in Säckchen, Eierpappen oder auf Teller drapiert? Oder sehen sie einfach nur die Ziffer, ohne irgendeine Art von Menge, die dahinter stecken kann. Ist ihre Vorstellung eher ordinal, also bezogen auf eine bestimmte Position in der Zahlreihe, oder ist es eher kardinal, also bezogen auf die Menge von Elementen einer Zahl? Oder hat es bestenfalls beides zur Verfügung und kann auch flexibel zwischen diesen beiden Eigenschaften einer Zahl wechseln. So wie es die Aufgabe erfordert.

All das heraus zu finden ist entscheidend, um an der Zahlvorstellung des Kindes teilzuhaben und darauf aufbauend tragfähige Strategien zu erarbeiten. Vielleicht sind die Strategien, die das Kind mitbringt, schon sehr tragfähig – Es gelingt ihm also bereits mit Hilfe seiner Strategien schnell, fundiert und mit angemessenem Aufwand zur korrekten Lösung zu gelangen.

Die Betonung liegt hier auf schnell und mit angemessenem Aufwand. Denn viele komplizierte und aufwändige Strategien und Zahlvorstellungen der Kinder führen zum korrekten Ergebnis. Und dann wundern sich manchmal auch die Lehrer, wenn Eltern im Elterngespräch ansprechen: „Wir haben irgendwie das Gefühl, dass unser Kind Subtraktion im Zahlenraum 100 nicht kann.“ – „Wieso, ihre Tochter hat in meinem Unterricht keine großartigen Schwierigkeiten und hat in den allermeisten Fällen das richtige Ergebnis. Sie braucht nur manchmal etwas länger.“ – Ja, genau dieses „Etwas länger brauchen“ ist das, wo es sich lohnt hinzugucken. Das Kind besitzt vermutlich Strategien, die es ihm ermöglichen auf längeren Umwegen zu dem Ergebnis zu kommen, was allgemein als richtig aufgefasst wird. Die Anstrengung, die das Kind leistet, ist aber endlos groß. Bei zunehmender Anforderung wird es für das Kind immer schwieriger diese kräftezehrenden Strategien zu nutzen, um die gefragte Lösung zu bekommen. Die Folge kann sein, dass es nach schneller Zeit erschöpft ist und die Frustration bei falschen Ergebnissen zu Tage tritt, weil ja dieser kräftezehrende Prozess nochmal von vorne losgehen muss. Puhh…

Eine Diagnostikphase bei einem Lerntherapeuten bezieht sich unter anderem auf diese Strategien. Die Lerntherapeutin blickt gemeinsam mit dem Kind auf den Bereich von Zahlvorstellungen und vorschulischen Ideen über Zahlenmengen und Zahlbeziehungen. Darüber hinaus wird geschaut, wie das Kind beispielsweise addiert oder subtrahiert. Also wie gelingen Zehnerüberschreitung und Zehnerunterschreitung? Wie werden Zahlen im Kopf zerlegt? Gelingt das Aufteilen der Zahlenmenge 10 in zwei Teilmengen schon automatisch, oder wird noch dauerhaft mit den Fingern bei jeder Aufgabe nachgezählt und sich leider hin und wieder auch um einen verzählt? Nutzt es das Halbieren und Verdoppeln von Zahlenmengen als Strategie, um schneller zur korrekten Lösung zu gelangen? Wichtig ist auch zu schauen, ob es dem Kind ohne große Mühen gelingt die Informationen aus Textaufgaben in „gesucht und gefragt“ einzuordnen und sich einen Überblick zu verschaffen. Dieses Gefühl von „den Überblick zu behalten“ ist nicht zu vernachlässigen, aber ein neues Thema, über das es sich lohnt nachzudenken.

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