Leben im Zwischenraum

Leben im Zwischenraum

Es ist Sonntag Morgen… gestern stand ich den ganzen warmen Tag in der Küche und habe gebacken, gekocht und bestimmt drei Mal den Geschirrspüler aus – und wieder eingeräumt… Meine Haut klebte, in meinen Haaren hing Schokolade und das Mehl hat sich an meinem Kinn verteilt… Ich sah rundherum aus wie eine Mama, die gerade in den letzten Zügen der Kindergeburtstagsvorbereitung war und wieder viel zu spät gemerkt hat, dass es vielleicht die Hälfte an Aufwand auch getan hätte…

Ich checke meine Liste:

  • Torte ist gebacken, mit Creme gefüllt und mit Fondant bedeckt und mit allerlei Zuckerzeug in pink, gold und Glitzer bestückt – diese Torte ist der ernährungstechnische Supergau, der Kinderaugen zum Leuchten bringen wird.
  • Hüpfburg bestellt – Ein Hoch auf dieses Ding, das mir den Kindergeburtstag schmeißen wird.
  • Küche ist aufgeräumt und gewischt
  • Bastelangebot vorbereitet
  • Schatzsuche fertig
  • Mutter auch fertig…

…müde, aber innerlich zufrieden mit mir ging ich zwar spät, aber voller Freude auf den nächsten Tag ins Bett.

Der Morgen verlief idyllisch und mit freudigen Kinderaugen… Die pinke Glitzertorte auf dem Geburtstagstisch schindete ordentlich Eindruck – Check – die Geschenke waren anscheinend genau „Das was ich mir schon immer gewünscht habe“ – Check – .

Ich guckte auf mein Handy und erstarre: „Leider habe ich einen Autounfall gehabt und werde die Hüpfburg heute nicht liefern können.“

Ich spürte wie diese Nachricht durch meinen Körper ging. Mit wurde warm, dann heiß, dann kalt und es vibrierte alles in mir… es fühlte sich definitiv nicht schön an, um es sanft auszudrücken… Ich ließ es durch mich durch rauschen und fing dann an zu Lachen… Dieses Gefühl so gefordert zu sein und meinen festen, scheinbar so sicheren Plan so im Wanken zu erleben, war mir nur allzu gut bekannt. Wie oft war mein scheinbar so 100%-ig sicherer Plan dann doch hinfällig aus irgendwelchen unkalkulierbaren Beweggründen…

Es fühlte sich auch jetzt unangenehm an, wieder mal nicht wiederholungswürdig und gleichzeitig spürte ich aber auch schnell meine innere, starke Kompetenz genau in dieser Situation flexibel und handlungsorientiert zu reagieren. Ich nahm also mein flaues Gefühl im Bauch mit und fing an mir zu überlegen wie ich das Bastelangebot ausweiten konnte, die Schatzsuche zeitlich zu strecken und mich um ein Ass im Ärmel zu kümmern, wenn die Stimmung zu kippen drohen würde.

Drei Stunden blieben mir bis die Kindergeburtstagsgäste kamen… Rückblickend lief alles so gut und alle Kinderaugen leuchteten… nachdem der Geburtstag vorbei war und ich mit allen 8 Kindern tanzend durch das Wohnzimmer gewirbelt bin und wir dabei den Spaß unseres Lebens hatten…

… Drei Tage später sitze ich in einem raren, ruhigen Moment, in dem endlich wieder ein wenig Ruhe eingekehrt ist auf unserer Terrasse mit einem Kaffee in der Hand und spüre auf ein Mal wie dankbar ich meiner Fähigkeit bin in solchen Momenten zu Funktionieren. Wie sehr ich schon so oft gegen dieses Funktionieren rebelliert habe, wie oft ich erzähle wie ich unter diesem reinen Funktionieren leide und wie es mich von mir selber entfernt… wie mich dieses reine Funktionieren verletzt hat und um es ganz deutlich zu sagen: „Es gab viele Momente, in denen sich das Funktionieren richtig beschissen angefühlt hat. Momente, in denen ich auch lange Zeit danach, vergessen habe wer ich selber eigentlich bin… und so grotesk es klingt: Vor drei Tagen hat mich diese Fähigkeit zum Krisenmanagement, zum flexiblen Agieren, zum Fokussieren auf das Bedürfnis anderer Menschen den Kindergeburtstag gerettet. Meine Fähigkeit zum Funktionieren hat es geschafft, dass ich mich zeitlich auf ein schnelleres, ein anderes Tempo einschwingen konnte, dass ich Möglichkeiten in Erwägung ziehen konnte, die vorher nicht denkbar schienen, dass ich um Hilfe gefragt habe, was mich nur allzuoft Überwindung kostet, dass ich Abstriche in meinem Anspruch machen konnte… und dieser Perspektivwechsel hat es mir auch ermöglicht aus meinem krassen Denken, was alles sein muss und zu sein hat, raus zu gehen und nochmal alles zu hinterfragen und in anderen Relationen zu sehen…

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