Dein inneres Lächeln…
Mir kommt ein Mensch mit Kapuze entgegen – tief ins Gesicht gezogen. Er läuft stumm an mir vorbei. Ich versuche noch seinen Blick zu finden… Kann nicht mal sagen, ob mir da eine alte oder junge Person begegnet, ob sie Sommersprossen hat oder Zöpfe unter der Kapuze hervor blitzen… Kann nicht sagen, ob sie eine hohe oder tiefe Stimme besitzt… habe kaum ein Gefühl für diese Person, die mich ganz eindeutig nicht wahrnehmen möchte… Ich bin frustriert, genervt, fühle mich ein wenig missachtet… Kann man denn nicht mal mehr ein „Guten Morgen“ rauspressen? Ist es denn zu viel verlangt den anderen Mitmenschen wenigstens ein kleines Lächeln zu schenken? Ich grummle in mich rein. Bin drin in meinem „Genervtsein-Gefühl“ – Ist nicht alles sowieso schon anstrengend genug? Ich denke an meinen anstrengenden Morgen zurück… Er begann heute morgen mit Kindergeschrei und zahlreichen Dingen, die ich aus Kindersicht so richtig „verkackt“ hatte. Dabei sei zu allererst das falsche Pausenbrot benannt, dass der Wecker doch 5 Minuten zu früh gestellt war und die neuen Turnschuhe noch nicht imprägniert sind, damit sie heute zur Schule angezogen werden können. Wenn schon alle um mich herum nicht wahrnehmen, dass ich eigentlich täglich an die hundert unsichtbare Aufgaben in meinem Kopf jongliere und mich dabei irgendwann kaum noch selber spüre… Kann mich diese Person, die gerade an mir vorbei läuft, wenigstens wahrnehmen?!…
Ich brauche dieses Lächeln, brauche gerade ein wenig liebevolle Worte, Zuspruch, Teilnahme an meiner Motivationslosigkeit, Verbindung mit irgendwas, was außerhalb von mir ist. Irgendjemand, der mich sieht und für ein Augenblick, ein Lächeln, mit mir sein will. Mein Körper verliert sich in seinen Alleinseingedanken… Meine Spirale „Allein mit mir fühlen“ nimmt Fahrt auf.
…Ich laufe durch die Stadt, vorbei am Marktplatz – Vorbei an lauten Menschen, mitten durch laute Menschen. Ich laufe durch stinkende Ecken, rieche den duftenden Dampf von frisch aufgebackenen Zimtschnecken aus der Bäckerei… Ich spüre kalten Wind in meinem Gesicht… spüre die kurze Nacht, die mir in den Knochen sitzt, spüre meine eigene Unlust mich hier gerade nicht eingekuschelt in meinem Bett zu befinden… Ich ziehe die Kapuze hoch und stecke mir die Stöpsel in die Ohren… – Wo ich bin? Wer hier mit mir ist? – Ich weiß es nicht. Ich bin mir gerade selber genug… Ich bin drin in meinem inneren Sturm: Die Sirenen läuten. Ich hab alle Hände voll zu tun meinen Sturm zu bändigen. Komme kaum klar, nehme keinen um mich herum wahr. Manövriere mich durch die enge Stadt, durch Menschenmassen, durch Parkanlagen, vorbei an vollen Mülleimern, Gassi gehenden Hunden, durch fallende Herbstblättern… Ich funktioniere auf Autopilot „Bitte zur Arbeit!“. Den Weg bin ich tausend mal gegangen. Ich kenne jede Ecke auf meinem Weg. Noch mehr Raum, um mich mit meinem Sturm zu beschäftigen, um hin und her zu springen zwischen dem Bezwingen und der Rekapitulation.
Ich komme zum Bäcker, muss mir noch schnell ein Brötchen fürs Frühstück holen. Durchgefroren von den vorwinterlichen Temperaturen, abgehetzt mit mir selber und abgehetzt mit der Zeit, die mir im Nacken sitzt bis ich meine Kinder wieder von der Schule abholen muss…
Ich öffne die Tür, mir weht der duftende, warme Brötchendampf entgegen und die Bäckersfrau schenkt mir ihr Lächeln. „Guten Morgen. Was kann ich Ihnen Gutes tun?“ – Ihr Lächeln reicht mir! Ich blicke das erste Mal wieder wirklich auf… Da ist es… Das Lächeln, was ich gerade brauchte… Mein Innerer Sturm ist wie eingefroren, wie in einem Zeitlupenzauber. Ich spüre den Gefühlsstrudel, ich spüre die Hitze in mir, die Kälte in meinen Fingern und alles verlangsamt, mit weniger Dramatik, weniger Strudel, weniger Hektik, mit weiterem Fokus… Wie ein Shift, wie ein kurzer Zwischenraum, ein kurzes Innehalten und alles richtet sich wieder anders aus – orientiert sich neu in mir und lässt mich dieses Lächeln in mich aufnehmen. Ich blicke die wartende Verkäuferin an. Sie ist nicht ungeduldig, sie ist liebevoll erwartungsvoll und schaut mich an. Ich setze meine Kapuze ab, spüre eine aufkommende Weite in mir, Weite um mich herum. Bestelle ein wenig wie in Trance mein belegtes Brötchen, bin ganz benebelt und finde mich gerade erst Stück für Stück wieder… Lächle zum Abschied…
Ich laufe durch die Stadt, laufe zur Arbeit, habe meine Kapuze nicht mehr aufgesetzt. Verschenke gerade mein Lächeln. Blicke in die Welt, auf die Menschen, in die Menschen. Spüre Freude im Außen, Freude im Innen… Spüre Wärme, Dankbarkeit…
Dankbar für den Anstoß, für den Impuls, für die Chance meinen Sturm zu entschleunigen, spüre Lebendigkeit, spüre MICH… Spüre mein Bedürfnis nach einem Frisörbesuch, nach Schokoladenkuchen, nach Zeit für mich… Nehme mir vor mir heute Nachmittag etwas Gutes zu tun. Nur für mich, liebevoll mit mir zu sein… Mein inneres Lächeln zu stärken, damit morgen ich die Person bin, die der Bäckersfrau ihr Lächeln zurück schenkt.
Du machst einen Unterschied!